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von heubach, 2015/2016 - Folder, Ausstellungstexte, Saaltexte.pdf




felt

ist im Grunde eine Form der Dokumentation von Kunstwerken und künstlerischen Aktivitäten, an denen wir (Ronald Kolb, Biotop 3000 und Ute Zeller von Heubach) beteiligt sind.
Mit "Dokumentation" meinen wir nicht nur die Archivierung von Kunstwerken durch die Bilder.
Wir versuchen, mit der Präsentationsform der Arbeiten vermittelnd umzugehen. Dies durch Instrumente des Layouts (wie Bilder, Position, Komposition und so weiter).
Der Text am Anfang und Ende jeder Ausgabe ist in drei Teile, in denen verschiedene Textgenres verwendet werden, unterteilt: unter Nummer 1 ist dies erklärend, 2 hat subjektive Tendenzen und Text Nummer 3 zitiert poetische Entsprechungen.

Andreas Pinczewski, 2012

3 Sekunden - Eine Einführung in das Museum der Erregung und der Möglichkeiten

verlegt durch edition taube, 2012

Dieses Buch ist Teil eines Projekts, mit dem verschiedene Individuen, Quellen und Ergebnisse verbunden sind: die Malerin und Kunsthistorikerin Ute Zeller von Heubach, der Komponist, DJ und Poet Elmar Mellert und der Filmmacher und inhaltlich Begleitende Martin Zieske - im Zusammenschluss gestalten sie etwas, das man als visuelle Soundscapes für imaginierte Filme bezeichnen kann, in denen Bild, Text, Musik und Zeit sich zu "Etwas" zusammenfügen. Dieses "Etwas" als Installation zu bezeichnen würde dem, was man dann in Ausstellungsräumen betrachten kann, nicht gerecht werden: abstrakte Bilder, die von zeitbasierten LED-Strahlern beleuchtet und von elektronischer Musik begleitet werden. Oder sind es musikalische Kompositionen, die von LED-Strahlern beleuchtet und durch abstrakte Bilder illustriert werden? Sie selbst bezeichnen es als "Set", und das ist wohl genau das, was diese Installationen sind: Sets eines ästhetischen Statements, dessen Thema kurz davor steht, aus ihrem Inneren an die Oberfläche zu dringen. Sie sind ein Angebot, sie sind die Rahmenkonstruktion einer Möglichkeit.

In dem Buch geht es auch um drei Sekunden: die Zeitspanne zwischen zwei Fotoaufnahmen eines Bildes von Ute Zeller von Heubach bei Sonnenaufgang. Diese beiden Fotos bilden den Rahmen des Buchs und werfen die Frage auf, ob es sich hier um zwei unterschiedliche Fotos des gleichen Bildes handelt oder ob es eher zwei verschiedene Bilder sind, die mit dem gleichen Aufnahmegerät gemacht wurden. Ich gehe davon aus, dass letzteres zutrifft. Genau so wie man nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen kann, kann man auch ein Bild nur einmal sehen. Es ist in dieser Welt schlichtweg nicht möglich. Zwischen dem Anfang von Sekunde Eins und dem Ende von Sekunde Drei liegen Äonen. Und diese Äonen bergen zahllose Bilder, Gedanken, Lieder und die Poesie des Gewöhnlichen, ein endloser Strom aus Fragmenten, die in diesem Buch von zwei Fotos eingerahmt werden.

Am Ende von Sekunde Drei hat sich die Welt durch und durch verändert - für immer.

In diesem Buch geht es dennoch nicht um Koyaanisqatsi. Man mag anfangs dazu verleitet sein, in diesem Buch Ähnlichkeiten zu entdecken, dass hier etwa auch unzusammenhängende Eindrücke verbunden -, und damit ein versteckter linearer Gedankenfluss oder sogar das Storyboard eines Films konstruiert werden soll. Doch während Frickes Film ein Kondensat ist, die sich ständig verändernde Darstellung eines Leitmotivs, fungiert dieses Buch hier wie das Aufblähen von tausenden von Dingen auf ein Mal. Jede der drei Sekunden fühlt sich unendlich an. Sie verteilen sich auf unvorhersehbare Assoziationsebenen zwischen einem Gesicht, einem uralten Mythos und einem zerbeulten Auto, Bruchstücken auf der Straße und der Wunde in Christus' Seite, tot in den Armen seiner Mutter liegend. Jeder Moment in diesem Buch schwebt in der Gischt der Möglichkeiten und ist sowohl nachträglicher Gedanke wie auch Vorahnung - ähnlich dem Moment zwischen Schlaf und morgendlichem Erwachen oder der Abkühlung nach einem nächtlichen Ausflug. Jeder Vorgang in diesem Buch bezeichnet diesen fragilen Zustand, den Gerinnungsprozess von der flüssigen Welt der Phantasie zur greifbaren, klaren der Realität.

Dementsprechend geht es in diesem Buch eher um die Geometrie der Sinneswahrnehmung, darum wie sich die durchdringende Vertikalität eines aufregenden Moments im Gewinde des Horizonts von möglicher Kontemplation auflöst. Es ist die eigenwillige Dialektik, bei der sich Unmittelbarkeit in Latenz verwandelt, die den Kern des Buches und das Projekt als Ganzes ausmacht. So wie diese drei Sekunden zwischen den Aufnahmen eines Bildes sich in die Unendlichkeit ausdehnen können, kann das Bild einer heidnischen Kreatur neben dem eines zerkratzten Kotflügels ganz plötzlich dreitausend Jahre zu einer Nanosekunde aus höllischem Schmerz zerschlagen. In dieser Hinsicht verhält sich dieses Buch wie ein anderes, das vor etwa 40 Jahren geschrieben wurde und dem es seinen eigenartigen Titel entliehen hat, A Fountain of Spraying Crystal Erupted Around Us: ein modifiziertes Zitat aus J. G. Ballards Roman Crash, einem extrem verstörenden literarischen Werk, das vielleicht am besten als eine Art Techno-Porno bezeichnet werden kann.

Geht es in diesem Buch also um Pornografie? In gewisser Weise ja. Man muss hier allerdings Pornografie aus einer abstrakteren Perspektive betrachten um das Ganze richtig verstehen zu können: wenn man die Darstellung des sexuellen Aktes außer acht lässt, werden in der Pornografie die gängigen Verbindungen zwischen Versprechen und Sehnsucht und deren Erfüllung ausgehebelt. Wenn in einem pornografischen Werk die Verlockungen erfolgreich ausgestreut werden sollen, muss zuallererst der immanente Sexualtrieb der Zielperson offengelegt werden und dann auf die Darsteller übertragen, die dann einen eigentlich nichtssagenden und automatisierten Akt vollziehen, eine Abfolge von unzusammenhängenden, sinnfreien Bildern, die nur dann die intendierte Wirkung auf die Leser oder Zuschauer haben, wenn diese sie verinnerlichen und wiederum zu ihren eigenen machen. Dieser Prozess der Entfremdung und Aneignung wird in Ballards Crash perfekt dargestellt, indem der Weichheit des menschlichen Körpers das harte, technische Material des Autos gegenüber gestellt wird, wenn die eruptierende Fontäne aus kristallinem Sprühregen, die die Opfer des Autounfalls umgibt zu dem exquisiten Moment wird, in dem Sinneswahrnehmung und Intimität den Eintritt ins Museum der Erregung und der Möglichkeiten gewähren.

Dieses Museum ist das eigentliche Thema des Buchs. Man wird hier zu einem Ort geführt an dem sich Prostituierte aus Vorstadt-Einkaufszentren treffen und sich in antike Nymphen verwandeln; ein Ort an dem die zärtliche Berührung einer Hand zu einer eiskalten Geste der Lust-Maschinerie wird; ein Ort an dem die Göttin der Liebe ihren Freiern auf dem Rücksitz eines Autos Publikum gestattet; ein Ort an dem der Lichtschein eines Objektivs wie Sonnenlicht auf eine Wüste aus Träumen scheint; ein Ort an dem die Zukunft nichts als die Erinnerung an die Vergangenheit ist und das Jetzt verloren in den Trümmern der kommenden Nacht. Es ist der Ort an dem der metallische Geschmack des Blutes an die Schönheit des Arkadien in uns selbst erinnert.


Süddeutsche Zeitung, 2009

Ben Lewis, 2009

"Fuzzy Aesthetics" in München bei "stein-contemporary"
Sinnlicher Minimalismus

So wie man immer wieder mal gerne den Tod der Malerei postuliert, werden je nach Wetterlage auch Sterben und Rückkehr der Abstraktion ausgerufen.
Die jüngste Präsentation bei stein contemporary zeigt, dass es sich lohnt, wenn Künstler sich um solche Trends nicht scheren. (...)
Doch die Offenbarung der Schau heisst Ute von Heubach. Die grossformatigen, monochrom texturierten Arbeiten der 1962 geborenen Künstlerin üben einen beinahe übernatürlichen Sog auf den Betrachter aus und kombinieren hyperästhetische Strenge mit emotionaler Wärme.
Die aus einer sensibel abgestimmten Farbauswahl gewonnenen Schwarz-, Grün-, Weiss- und Beigeschattierungen formen feine Pinseltexturen.
Wer meint, Minimalismus könnte nicht sinnlich sein, wird hier eines Besseren belehrt. Man möchte förmlich mit der Hand über die Leinwände fahren.
Ute von Heubach veranlasst den Betrachter zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den möglichen Bedeutungsebenen und Inhalten, welche die Malerei bereithalten kann. Ausserordentlich präzis in ihrem Gestaltungswillen setzt sie mit ihren Werken auch pointierte Kontrapunkte zur gängigen Salonmalerei unserer Tage. Die Bilder bringen eine Dichte in das Sehen und das hat den Effekt, dass der Betrachter den Drang verspürt, dicht heranzutreten und sich in den Leinwänden förmlich zu verlieren.
Das Fazit: Dem totgesagten Patienten geht es gut. Lebendiger war Abstraktion selten.


Ute Zeller von Heubach, 2008

Unter dem Begriff der "Monochromie" wird ein sehr heterogenes Feld künstlerischer Arbeiten erfasst.
Nach ersten monochromen Tendenzen in der Avantgarde der 20er und 30er Jahre gab es in den 50er wie auch seit dem Ende der 60er Jahre bis zur heutigen Zeit immer wieder Tendenzen zum kompositionslosen einfarbigen Bild.
Die Bilder verzichten auf Figur-Grund-Differenzen und explizite Bezüge zur außerbildlichen Realität. Monochrome Bilder haben aber uneinheitliche Beweggründe, meist analytische Überlegungen, Überlegungen zur Wirkung des Lichts, zur Thematisierung des Materials Farbe, etc. Verschiedenste Wege können zu einem optisch ähnlichen Ergebnis führen.
Ein Schlüsselerlebnis war die Begegnung mit einem Bild von David Simpson (Radical Opalescence, Green-Violet, 1996) in den Räumen der Villa Panza in Varese / Italien. In der Villa ist eine herausragende Sammlung vorwiegend monochromer Bilder der 80er und 90er Jahre in barocken Räumen installiert.
Das Bild changiert in seiner Einfarbigkeit je nach Lichteinfall und Standpunkt des Betrachters zwischen Lila und Grün. Dies ist mittels Fotografie nicht abbildbar, sondern nur direkt erfahrbar. Mich faszinierte außer diesem starken beweglichen Farbeindruck das vielschichtige Verhältnis des Tafelbildes zu seiner Umgebung und seinem Kontext. Es ist gleichzeitig Hintergrund für Dinge die davor sind, wie auch Bild vor einem Hintergrund.
Seither sind eine Reihe von "chromatischen" Bildern entstanden, die zeigen, dass die Malerei sinnlich und intellektuell mehr zu bieten hat, als Illustration von Inhalten, Abbildung von Gegenständen oder Formen zu sein. Die auf dieser Internetseite gezeigten Fotos der Bilder geben allerdings technisch bedingt nur einen sehr oberflächlichen und nicht farbtreuen Eindruck der Arbeiten wieder.
Die Konzentration auf den Vorgang und Befreiung vom Zwang, sich an die klassischen Regeln der Bildsprache halten zu müssen, lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters vor den Arbeiten auf den Duktus, die Farbwirkung der Bilder und beinhaltet lebhafte Assoziationsmöglichkeiten.


Dr. Berthold Naumann, 2008

Seit 2006 arbeitet Ute von Heubach an Bildern, die auf den ersten Blick monochrom aussehen; beim näheren Betrachten wird offensichtlich, dass sie keineswegs mit nur einer Farbe gemalt sind, sondern mit einem Spektrum an Farbtönen, die "chromatisch", wie in der Musik in Halbtonschritten, den Grundton (z.B. Grün, Ocker, Braun) ergänzen, bereichern, relativieren oder erst zur Geltung bringen. Dieser kleine Reichtum an ähnlichen und doch verschiedenen Farben wird nicht zu einem einzigen Ton gemischt, sondern mit feinen Pinselstrichen dicht aufgetragen; eine farblich changierende Struktur von Pinselstrichen entsteht. Von Heubach trägt, anders als Vertreter der monochromen Malerei, nicht eine einzige Farbe möglichst homogen und "überpersönlich" auf, sondern sie arbeitet mit eigenem Duktus, gestaltet die Oberfläche, bildet feine Farbzentren, belebt den Farbkörper.
Die "chromatischen Bilder" sind nicht monochrom; es geht aber wie bei der monochromen Malerei um die Wirkung von Farbe, um die malerische Kraft, Assoziationen auszulösen, einzutauchen in einen Kosmos von Blau, Grün oder Violett, sich der Farbe als Katalysator für innere Erlebnisse auszusetzen.
Die Arbeiten sind auch nicht gegenständlich, obwohl sie gegenständliche Züge tragen: bei einem grünen Bild, das durch braungrüne Pinselstrukturen belebt wird, liegen Erinnerungen an das Spiel des Lichtes auf Blättern ganz nahe. Pinselstriche lassen an europäische gegenständliche Malerei seit der Renaissance denken, die häufig auf Fernsicht angelegt war und den Farbauftrag von der Nähe sichtbar ließ.
Ute von Heubach sieht Analogien zu ihren Bildern in der Gestaltung von Bildhintergründen alter Meister; Bereiche zwischen den Gegenständen, die inhaltlich unbeachtet, aber atmosphärisch sehr wichtig sind, Zonen "ganz frei von Gestaltungszwang" (Ute von Heubach), in denen im Farbauftrag der "Fluss der Gedanken über das Gemachte" spürbar ist. Solche Freiräume "nachdem etwas war und bevor etwas sein wird", Momente des Innehaltens, Augenblicke des "Dazwischens", bevor wieder konkrete Ziele angegangen werden, Übergangssituationen wie der Weg mit der Bahn oder mit dem Auto, der Moment, wo man ausgeatmet hat, aber noch nicht wieder einatmet: Zwischentöne - wer kann sie besser sichtbar machen als die Malerei?
In einer früheren Werkgruppe von Landschaftsbildern ("Phänomene") ergänzte sie Bilder des Himmels, von Bergen oder Wäldern durch offene malerische Eingriffe mit Mitteln der Moderne, die über die traditionelle gegenständliche Malerei hinausgingen: informelle Farbschlenzer auf sorgfältig ausgeführten Landschaften, Dripping oder impressionistische Tüpfeltechnik auf Himmelsbildern.
In den neuen Bildern greift sie die Detailmalerei auf, isoliert sie und malt sie als scheinbar monochrome Bilder in der Tradition des 20. Jahrhunderts. Ute von Heubach setzt sich mit den Traditionen auseinander und ergänzt sie durch ihre eigene Position: Abstraktion aus dem Geiste gegenständlicher Malerei.
Frech? Ohne Zweifel, aber genauso an- und aufregend.


veröffentlicht in in Ute Zeller von Heubach, Phänomene, 2006

Dr. Tobias Wall, 2006

Die Reihe "Naturphänomene" von Ute Zeller von Heubach

Im Gewohnten das Überzeugende finden

Wann ist ein Bild fertig?
Wann setzte Vermeer seine letzte Weißhöhung auf die Perle am Ohr des Mädchens, wann erhielten die Demoiselles 'Avignon von Picasso ihre endgültige Kontur, wann entschied sich Jackson Pollock, bei "Nummer 4" den Farbeimer beiseite zu stellen? Wann also beschließt ein Maler, dass eine Arbeit vollendet ist?
Dieser Frage muss sich ein Künstler bei jedem seiner Werke auf's Neue stellen und auf Nachfrage zeigt sich, dass die Antwort darauf nicht immer leicht fällt. Entweder bleiben die Auskünfte mit Phrasen wie "dann, wenn es eben fertig ist" oder "niemals" unerfreulich beliebig oder sie gehen ins Nebulöse, wenn ein Künstler, wie es mir gegenüber jüngst geschah, äußert: "Ich schaue das Bild an und das Bild schaut zurück. Dann ist es eigenstän­dig geworden, abgenabelt sozusagen." Was aber ist zu tun, wenn der Flirt mit einem Werk nicht klappt"?

Die Frage nach der Vollendung spielt auch in den neueren Arbeiten von Ute von Heubach eine zentrale Rolle. Sie hinterfragt permanent, ob eine Arbeit auf dem richtigen Weg zu ihrer Bildidee ist. Sie beobachtet, dass sich die Bilder, an denen sie arbeitet, bisweilen ihrer Vollendung widersetzen und sich Bildwelten ergeben, die ihrer künstlerischen Intention nicht den adäquaten Ausdruck verleihen.
Um dieses Eigenleben der Bilder zu erforschen, widmet sich Ute von Heubach seit einiger Zeit Arbeiten von Hobbykünstlern. Sie stöbert auf Flohmärkten und in Trödelläden Bilder von Sonntagsmalern auf, um sie zu studieren, ihre Potentiale aufzuspüren und sie dann im Sinne des Künstlers weiterzuverarbeiten. Bei diesen künstlerischen Untersuchung geht es ihr freilich nicht darum, die technischen Unvollkommenheiten einer Arbeit im Detail zu bereinigen; ihre Bearbeitungen fallen meist radikaler aus: Mit flächigen Übermalungen, farbigen Schlieren und Vorhängen greift Ute von Heubach in die Bildkonstruktion ein und führt sie auf einige wesentliche Bildelemente zurück, mit dem Ziel, die Idee des Bildes neu und schlüssiger zu formen.
Es wäre ein großes Missverständnis, diese künstlerischen Umarbeitungen Ute von Heubachs als Arroganz und Anmaßung der akademischen Künstlerin gegenüber Dilettanten anzusehen. Die Übermalungen sind für sie eine Methode, mit der sie das Verhältnis von Bildideen, Abbildungsprinzipien und der handwerklichen Umsetzung, kurz, mit der sie den ewigen Kampf des Künstlers um die ideale künstlerische Form, die Suche nach der Vollendung untersucht. Es sind Etüden in einem äußerst intensiven und kritischen Arbeitsprozess der Künstlerin an sich selbst und ihrem Werk.
Ihre neueste Werkreihe betitelt Ute von Heubach mit "Naturphänomene".
Sie führt in diesen Bildern eine Schaffensphase fort, in der sie sich vor allem der Darstellung von Natur im weitesten Sinne, von Landschaft aber auch von astronomischen Motiven widmete. Der Begriff des "Phänomens" bezieht sich in dem Titel nicht nur auf das Faktum der "Erscheinung" der Naturereignisse, die sie wiedergibt. "Phänomene" nennt die Künstlerin die sonderbaren und verstörenden Bildelemente, die bei diesen neueren Werken ins Auge fallen. Es sind gemalte Irritationen, die den angelegten Bildzu­sammenhang durcheinander bringen und mitunter auch zerstören. Diese "Phänomene" können die unterschiedlichsten Ausprägungen haben: Es können einfach Farbkleckse oder aufgemalte Brandflecke sein, aber auch Farbspuren, die aussehen, als hätte die Künstlerin den Pinsel auf dem Bild gereinigt. Manchmal tauchen eigenartige farbige Objekte auf, die wie vergrößerte Pantoffeltierchen über das Bild schwimmen, "Phänomene" können aber auch irreale Aufhellungen bzw. partielle Überbelichtungen oder andere großflächige Farbverschiebungen sein. Es kommt auch vor, dass eine Stelle im Bild einfach frei gelassen ist, und das Motiv ein Loch bekommt.
Mit den "Phänomene" führt Ute von Heubach konsequent die Eingriffe in die Werke der Sonntagsmaler fort und wendet sie in aller Rücksichtslosigkeit auf ihr eigenes Werk an. Durch diese Bildverstörungen gefährdet die Künstlerin permanent die von ihr geschaffenen Bildwelten und behindert sich damit vorsätzlich bei der Vollendung ihrer Bilder. Sie macht es sich schwer, ein Bild fertig zu stellen und sie macht es dem Bild schwer zu bestehen. Konventionelle Bildstrukturen, die simple Umsetzung eines künstlerischen Blicks oder einer Kompositionsidee mit handwerklicher Akkuratesse ist ihr zu langweilig, selbst wenn die Bildidee gut ist. Die vermeintliche Sicherheit, in der sich das Gemalte auf dem fertigen Bild wiegt, provoziert sie. Sie setzt alles daran, diesen Frieden zu stören, freilich nicht um der Zerstörung willen, sondern weil sie sich eine neue, überzeugendere Kraft des Bildes erhofft, wenn sich die einzelnen Bildelemente gegen den Widerstand der Eindringlinge behaupten müssen.
Noch eine weitere Sicherheit macht Ute von Heubach in ihren neueren Arbeiten dem Bild ab­spenstig: die Mitte. Während sie in früheren Arbeiten klare, starke Motive ins Zentrum des Bildes setzte, die dort für Ruhe und Ordnung sorgten, ist sie bei den neuen Male­reien darauf erpicht, dieses Zentrum zu verunklären und, wenn möglich, gar nicht zu­zulassen. Da, wo man sich als Betrachter ausruhen oder zumindest bei seinem Weg durch das Bild orientieren möchte, schafft Ute von Heubach durch Verfärbungen, Auflösungen oder mittels ihrer Phänomene eigenartig bedeutungsfreie Zonen, die auch bei noch so angestrengten assoziativen Überbrückungsversuchen ohne Sinn bleiben. Diese sinnfreien Bereiche sind gestalterische Brachen in der wohlgeordneten Landschaft des Gemäldes, anarchische Refugien, die permanent den logischen Kosmos des Bildganzen herausfordern.
Dieser Verlust der Mitte verängstigt heute wie früher all jene, die insgeheim auf der Suche nach Sicherheit und Bestätigung in der Kunst (besonders der Malerei) sind. In Ute von Heubachs Kunst können sie lange danach suchen.
Eines wird deutlich: Bei der Beantwortung der Frage nach dem Punkt der Vollendung eines Bildes, hilft uns Ute von Heubach nicht weiter. Im Gegenteil: Die Künstlerin lässt in ihren neueren Arbeiten nichts unversucht, mit ihren ""Phänomenen" vermeintlich fertige Gemälde anzugehen und deren gefestigten Bild­frieden zu stören. Eine Kunst der konstruktiven Irritation mit dem Ziel, im Gewohnten das Überzeugende zu finden..