05.11. - 17.12.2017

Ute Zeller von Heubach
selecting paintings for terminal

Eröffnung am Samstag, 4. November 2017 um 16 Uhr
Nach einer künstlerischen Einführung wird ein Apéro gereicht.
Fatima Hellberg und Michael Paukner legen Schallplatten aus der Single-Sammlung von Andreas Züst auf.
Anlässlich der Ausstellung erscheinen zwei Hefte sowie eine Neuauflage.

Anfang 2015 entstanden im Alpenhof, unter dem Eindruck der Situation und des Ausblicks, die ersten Motive: in Grautönen gehaltene, mittelformatige Gemälde, auf denen man wenig bis gar nichts erkennt. Eine Serie, die Ute Zeller von Heubach bis heute beschäftigt. Mittlerweile ist dies ein Fundus von etwa zweihundert Bildern.
Bei der Auswahl für den Alpenhof spielt neben der Herkunft der Arbeiten auch die Weiterentwicklung der Motive eine Rolle. In Projekten wie "City Discount 2016" bemalten Künstlerfreunde die Leinwände - um diese Bemalungen dann wieder von Ute Zeller von Heubach übermalen zu lassen.
Die Künstlerin zeigte die Arbeiten bisher in Bewegung. Die Bilder waren montiert zu skulpturalen Formen, wie etwa ein riesiges selbstdrehendes Rad, eine inwändige Kammer oder ein sanft schwingender, raumfüllender Kreis.
Bilder, die dergestalt auftreten, sind eher Module denn einzelne, eigenständige Kunstwerke.
In der Ausstellung "selecting paintings for terminal" im Alpenhof sind nun einige aus Bildern zusammengesetzte Bilder zu sehen. Es sind jeweils "Cluster", Kompositionen in der Art grossformatiger Landschaftsmalerei.

alpenhof
St. Antonstrasse 62
CH-9413 Oberegg AI
+41 71 890 08 04
www.alpenhofalpenhof.ch
Öffnungszeiten: Samstag, 13 - 16 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung





Die beiden Filme
"selecting paintings for alpenhof", der die Vorbereitungen zur Ausstellung dokumentiert (mit Fotos von Ronald Kolb, Sound und Programmierung Hugo Meder) und
"Ein Bild sagt mehr als 231 Worte", der die Geschichte eines ausgewählten Bildes erzählt (inszeniert von Sören Hiob), werden an der Vernissage, am 4. November um 16 Uhr im Alpenhof gezeigt. Anschliessend werden sie auf dieser Internetseite veröffentlicht.





selected paintings:

Ute Zeller von Heubach
Cluster 1, 2015 - 2017
9-teilig, je Öl auf Leinwand, gesamt 120 x 120 cm


Ute Zeller von Heubach
Cluster 2, 2015 - 2017
13-teilig, je Öl auf Leinwand, gesamt 150 x 150 cm


Ute Zeller von Heubach
Cluster 3, 2015 - 2017
9-teilig, je Öl auf Leinwand, gesamt 90 x 180 cm



Andreas Pinczewski
Der Heubachsche Wolkenator


Unless th' Almighty Maker them ordain
His dark materials to create more Worlds

John Milton, Paradise Lost


Kann man einen Text zu zeitgenössischer Kunst abgeschmackter beginnen, als mit einem Zitat von John Milton? Oh, ganz gewiss, indem man nämlich mit Leonardo da Vinci weitermacht. Aber uns bleibt nichts anderes übrig, weil unsere Geschichte beginnt vor mehr als fünfhundert Jahren. In einer Ansammlung von Notizen, die uns als Traktat über die Malerei überliefert ist, spricht da Vinci an verschiedenen Stellen über den Gebrauch und die Nützlichkeit von Wolken für Künstler. Als "Weise, den Geist zu vermehren und zu neuen Erfindungen anzuregen" empfiehlt er den angehenden Malern eine "neugefundene Art des Sehens" und "manchmal stehen zu bleiben und auf die Mauerflecken hinzusehen oder in die Asche im Feuer, in die Wolken, oder in Schlamm und auf andere solche Stellen." Man würde, wenn man sie recht betrachtet, "sehr wunderbare Erfindungen in ihnen entdecken." Was die Wahrnehmungspsychologie als Pareidolie bezeichnet, ging als Topos der Inspirationslehre in die Kunstgeschichte ein.

Wichtig ist diese Geschichte für uns, weil sie zwei Aspekte eröffnet, die uns im weiteren Verlauf noch beschäftigen werden: Zum einen wirft sie den Beginn der künstlerischen Arbeit ins Chaos, jenen Abgrund dunkler Materie, in den Miltons Satan starrt und aus der der Allmächtige Welten erschafft und die Künstler wundersame Erfindungen; und zum anderen betont sie wiederholt, dass diese Wolken tatsächlich nur den Beginn bezeichnen und nicht das Ziel; dass aus den Wolken, der Asche und dem Schlamm Welten entstehen müssen, ein fertiges Werk. Zwar kommt da Vinci ab und an der Verdacht, dass eine solche Wolke an sich schon perfekt sein kann, aber er fängt sich jedes Mal wieder und betont dann umso mehr, dass die Arbeit der Künstler mit dem Chaos der Wolke erst ihren Anfang nimmt. Die Wolke liefert den Entwurf, aber es sind hartes Studium der Natur und strenge Regeln, die dann aus ihr ein Kunstwerk machen.

Die Gemälde von Ute von Heubach scheinen in diesem Sinne also erst mal noch gar nicht da zu sein. Sie sind vielleicht am Anfang, aber bestimmt nicht am Ende, zeigen verworrenes Gewölk, wie Asche und Schlamm. Die wunderbaren Erfindungen, die scheint sie erst zu ahnen – und wir gleich mit. Bilder vom Anfang, dutzendfach kombiniert, nebeneinander, übereinander arrangiert oder auf wuchtige Maschinen montiert und auf Karussellfahrt geschickt. Und was uns bleibt, ist, an ihnen vorbeizumarschieren oder sie an uns vorbei fahren zu lassen, wartend, was aus ihnen noch wird.

Dieses Warten wird jedoch etwas jäh unterbrochen, wenn man erfährt, dass diese Malerei anders funktioniert, als man zunächst denkt. An ihrem Anfang steht ein fertiges Werk, eine figürliche oder abstrakte Komposition, von ihr selbst gestaltet oder von befreundeten Künstlern, die sie dann in harter Arbeit und scheinbar strenger Verachtung von Regeln in den Zustand des Wolkigen überführt. Augmentierte Wolken gewissermaßen, denn das ursprüngliche Motiv ist nicht einfach übermalt, es ist zermalt, auseinandergemalt, vermalt. Irgendwie ist es also immer noch da, aber auch irgendwie nicht. Darin erinnern die Malereien von Ute von Heubach verdächtig an eine weitere Geschichte, die ihren Weg in die Topik der Kunstgeschichte gefunden hat: die vom unbekannten Meisterwerk aus Balzacs gleichnamiger Erzählung. In dieser bezahlt der Maler Pourbus die Vollendung der Kunst mit seinem Verstand und einem Gemälde, das außer einem perfekt modellierten Fuß eine schlammige Wolke von Farben zeigt.

Bevor wir uns nun jedoch in endlosen Überlegungen über den Begriff des Vollendeten verlieren oder vielleicht selber sogar etwas irre werden, wenn wir sehen, wie die Bilder von Ute von Heubach den Kreisweg von der wolkigen Inspiration zur, vielleicht, fertigen Wolke beschreiten, sollten wir vielleicht doch noch einmal zurück zu Milton, um besser zu verstehen. Als Satan am Rand der Hölle steht und in den Abgrund blickt, sieht er nicht nur das Chaos als die Gebärmutter der Natur, er sieht auch das Chaos als ihr Grab. Die dunkle Materie, aus der der Allmächtige Welten schafft, sie könnte jederzeit das wieder zurückfordern, was ihr Eigen ist. Und das ist spätestens seit Nietzsche ein moderner Gedanke.

Und um nun diesen Gedanken zu vollenden, schließen wir unsere Geschichte mit einer dritten Begebenheit, die glücklicherweise nahezu zeitgenössisch ist. Das Schlüsselerlebnis, das den Bildhauer Tony Smith auf den Weg zum Minimalismus brachte, war die nächtliche Fahrt auf einer noch nicht fertiggestellten Autobahn.

"Es war stockfinstere Nacht, und es gab keine Beleuchtung, keine Fahrbahn- oder Randmarkierungen, überhaupt nichts außer dem dunklen Asphalt, der durch flaches Land führte, das in der Ferne von Hügeln gesäumt und durch aufragende Bauwerke, Rauch und farbige Lichter unterbrochen wurde. Diese Fahrt war eine aufschlussreiche Erfahrung. Die Straße und vieles an der Landschaft war künstlich, und doch konnte man sie nicht ein Kunstwerk nennen. Andererseits gab sie mir etwas, was mir die Kunst nie gegeben hatte. Zuerst wusste ich nicht, was, aber die Wirkung war, dass es mich von vielen Ansichten befreite, die ich über Kunst gehabt hatte. Da gab es offenbar eine Wirklichkeit, die in der Kunst bisher keinen Ausdruck gefunden hatte.

Die Erfahrung auf der Straße war etwas planhaft Strukturiertes, aber nicht gesellschaftlich Anerkanntes. Ich dachte damals: Es dürfte wohl klar sein, dass dies das Ende der Kunst ist. Nach einer derartigen Erfahrung kommt einem die meiste Malerei ganz schön bildhaft vor."

Tony Smith fuhr also durch eine Wolke dunkler Materie, und während er durch die Scheiben seines Autos schaute, bemerkte er, die Wolke schaut zurück.


Ute Zeller von Heubach
Cluster 4, 2015 - 2017
6-teilig, je Öl auf Leinwand, gesamt 120 x 90 cm


Ute Zeller von Heubach
Cluster 5, 2015 - 2017
6-teilig, je Öl auf Leinwand, gesamt 90 x 120 cm


Ute Zeller von Heubach
Cluster 6, 2015 - 2017
10-teilig, je Öl auf Leinwand, gesamt 150 x 120 cm



Andreas Pinczewski
The Heubach Cloudinator


Unless th' Almighty Maker them ordain
His dark materials to create more Worlds

John Milton, Paradise Lost


Is there anything more unimaginative than to start a text on contemporary art with a Milton quote? Oh, certainly, if you continue it with Leonardo da Vinci. But I cannot help it because our story begins more than five hundred years ago. In the collection of his notes that came to be known as the Treatise on Painting da Vinci makes several mentions on the use and usefulness of clouds for artistic creation. As a "way to augment the genius and inspire it with new inventions" he recommends to any aspiring painter to make use of a "new way of seeing" and to "sometimes stop in your walk and look attentively at smeared walls or into the ashes of a fire, at the clouds or at mud or other such places." The artist would then, if done right, "discover marvellous inventions in these." What is known as pareidolia in cognitive psychology, became a common topic in art history on the theory of inspiration.

This story is important because it provides us with two reference points for our future endeavour: first, it casts the initial stages of any art work into the realm of chaos, the very abyss of dark materials into which Milton's Satan stared and from which the Almighty creates worlds and the artist draws marvellous inventions; and, secondly, it emphasises repeatedly that these clouds only form the beginning but never the end; from those clouds, ashes and mud a finished work must rise. Even though da Vinci sometimes doubts whether such a cloud might not be perfect in itself he still insists that an artist's dealings with the cloudy chaos can not be the final goal. The cloud may offer inspiration but it is only through scrupulous study of nature and the adherence to strict rules that a painter may achieve a work of art.

In this sense the paintings of Ute von Heubach are not really there yet. They may be at the start, but in no way at the end; they exhibit a confused cloudiness, ashy and muddy. Those marvellous inventions, she seems to just barely imagine them – like we do. These are images of a beginning, arranged on picture walls or mounted on massive machinery and sent on a merry-go-round trip. All we can do is walk past them or let them pass, waiting for whatever they may become.

Our wait will, however, come to an abrupt halt once we learn that these paintings do not function like we initially thought. They do not start with some vague image but with a finished work, a realistic or abstract composition of her own design or by one of her artist friends, which then, through hard work and a seemingly strict contempt for rules, is being transformed into a state of cloudiness. Augmented clouds, if one could call them such, because the original image is not simply painted over, but it is rather un-painted or de-painted. It is still there, in a way, but not really here either. With this, one is suspiciously reminded of another story that had found its way into art historical discourse – that of the Unknown Masterpiece by Balzac. In this short story the painter Pourbus pays the price for reaching the consummation of art with his sanity and a painting that shows one perfectly rendered foot amongst a muddy cloud of paint.

Unless we intend to get lost in endless reasoning on the nature of perfection or become a bit mad ourselves when we realize how Ute von Heubach sends her paintings full circle from cloudy inspiration to inspired cloud, we should, perhaps, pay another visit to Milton. It may help us understand. When Satan, on the brink of hell, watches into the Abyss he sees chaos not only as the "womb" of nature but also as its potential grave. These dark materials from which the Almighty creates worlds, one day they might reclaim what is their own. And this, at least since Nietzsche, is a rather modern thought.

To conclude this thought let me introduce one final story, one that, thankfully enough, is now almost contemporary. The experience that brought the sculptor Tony Smith onto the road to Minimalism was a nightly trip on an unfinished turnpike.

"It was a dark night and there were no lights or shoulder markers, lines, railings or anything at all except the dark pavement moving through the landscape of the flats, rimmed by hills in the distance, but punctuated by stacks, towers, fumes and colored lights. This drive was a revealing experience. The road and much of the landscape was artificial, and yet it couldn't be called a work of art. On the other hand, it did something for me that art had never done. At first I didn't know what it was, but its effect was to liberate me from many of the views I had had about art. It seemed that there had been a reality there which had not had any expression in art."

"The experience on the road was something mapped out but not socially recognized. I thought to myself, it ought to be clear that's the end of art. Most paintings look pretty pictorial after that."

Tony Smith drove through a cloud of dark materials, and while he looked through the windows of his car he realised, the cloud looked back.



Download von "little fluffy clouds", Neuauflage 2017

(Palermo Galerie 2016, Film von Sören Hiob, der den Aufbau des Rades dokumentiert)


Download von "selecting paintings for terminal", Begleitheft zur gleichnamigen Ausstellung im Alpenhof


Download von "terminal", 2. Begleitheftheft zur Ausstellung im Alpenhof



Ute Zeller von Heubach

Die 1962 geborene Künstlerin Ute Zeller von Heubach studierte Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart, dann Freie Kunst an der UdK Berlin und anschliessend Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, wo sie als Meisterschülerin abschloss.

Sie erhält Kunstpreise, wie u.a. den Akademiepreis, den Preis bei Kunststudenten stellen aus, den Da-Vinci-Preis und den Kunstpreis der Stadt Lauf sowie Stipendien, darunter das der Studienstiftung des deutschen Volkes und das der Kunststiftung Baden-Württemberg. Ein DAAD-Stipendium führt sie nach Zürich. Als Künstlerresidenzen sind das Künstlerhaus Stuttgart, die Villa Vigoni am Comer See und eine Residenz an der Haute école des arts du Rhin in Strasbourg zu nennen.

Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit und regelmässigen Ausstellungen gründet und kuratiert sie die Galerie peripherie in Tübingen, leitet gemeinsam mit Hugo Meder bits'n'arts, eine Agentur für Kunst und Medien. Als künstlerische Leiterin des Schweizer Vereins Casa nell'Arte initiiert und organisiert sie kulturelle Projekte in einer italienischen Villa. Gemeinsam mit Ronald Kolb kuratiert sie das Projekt seen through in Stuttgart.

Sie lebt und arbeitet in Deutschland, Stuttgart und in der Schweiz, Hasliberg Goldern.

www.utevonheubach.de
mail@utevonheubach.de